Es ist warm oder Mir ist warm

Wir haben noch nicht alle fünf Sinne beisammen. Die Haut fehlt. Die Haut ist ein wahres Multitalent. Mit der Haut ertasten wir Formen, spüren Druck, registrieren leichteste Berührungen genauso wie Vibrationen und Dehnungen. Als kleine Zugabe zeigt sie uns auch noch die Temperatur der Dinge an, mit denen sie in Berührung kommt.

Was ist Temperatur eigentlich? Die Temperatur ist ein Maß für die Wärme und damit für den Energiegehalt eines Stoffes, der wiederum Ausdruck der Bewegungsintensität seiner Bestandteile ist. Wenn man einem Stoff alle Energie entziehen würde, dann würde auch jede Bewegung in ihm ersterben, der absolute Nullpunkt wäre erreicht. Im Experiment ist man dem absoluten Nullpunkt zwar schon sehr nahe gekommen, man wird ihn jedoch nicht erreichen, weil absolute Bewegungslosigkeit wider die Natur ist. Wird nun ein Stoff abgekühlt, dann heißt das, er muss Energie abgeben. Natürlich ist auch der umgekehrte Fall möglich, dass er Energie aufnimmt und dadurch wärmer wird. Dieser Austausch kann durch den direkten Kontakt der Stoffe erfolgen, aber auch mittels Strahlungsprozessen. So kann Wärme als warme Luft aus dem Mittelmeerraum zu uns gelangen oder durch direkte Sonnenstrahlung. Das heißt, die Luft kann warm sein, obwohl sich die Sonne den ganzen Tag hinter Wolken versteckt. Es ist aber auch möglich, dass die Luft kalt ist und uns frieren lässt, sobald sich jedoch die Sonne hervorwagt, wärmt sie derart, dass man trotz frostiger Luft die Jacke ausziehen möchte.

Der Mensch braucht für sein Wohlbefinden eine einigermaßen gleichbleibende Körpertemperatur. Eine der Aufgaben der Haut ist es festzustellen, ob und inwieweit die Umgebungstemperatur von der Körpertemperatur abweicht. Wenn die Umgebung kälter ist, als dem Körper gut tut, muss dieser vor Energieverlust geschützt werden. Dazu zieht sich die Haut zusammen, Gänsehaut entsteht. In einer derart bedenklichen Situation ist es auch wichtig, den Stoffwechsel auf Touren zu bringen, um dem Körper mehr Energie bereitzustellen. Das wird zum Beispiel durch Zittern erreicht. Es soll dem Menschen außerdem klar machen, dass mehr Bewegung jetzt vorteilhaft wäre. Ist es dagegen wärmer als für den Menschen zuträglich, wird das körpereigene Kühlsystem in Gang gesetzt. Der Körper produziert Schweiß, der durch die Wärme verdunstet und ihm auf diese Weise Energie entzieht. Eine wohltuende Kühlung ist die Folge. Außerdem macht Hitze träge. Eine Siesta im Schatten wird die körpereigene Energieproduktion auf Sparmodus schalten.

Wie stellt die Haut jedoch fest, ob es in der Umgebung zu warm oder zu kalt ist? Für diesen Zweck beherbergt sie zwei Arten von Sensoren – die Kaltpunkte, die auf Temperaturen zwischen 5 und 36 Grad Celsius reagieren und die Warmpunkte, die bei Temperaturen von 25 bis 45 Grad Celsius ansprechen. Werden diese Sensoren aktiviert, dann generieren sie einen elektrischen Impuls, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Auffallend ist, dass sich die Reaktionsbereiche der Kaltpunkte und der Warmpunkte knapp unterhalb unserer Körpertemperatur überlappen. Im Überlappungsbereich heben sich die Impulse der Kalt- und Warmpunkte weitgehend auf. Dieser Temperaturbereich ist für den Körper zuträglich, so dass Maßnahmen meist nicht erforderlich sind. Außerhalb des Überlappungsbereichs kann es jedoch kritisch werden, so dass das Gehirn Gegenmaßnahmen, wie Gänsehaut, Zittern oder Schweißausbrüche, einleiten wird. Mitunter reichen diese spontanen Reaktionen nicht aus, dann muss der Mensch eine Entscheidung treffen und gezielt in Aktion treten. Er könnte zum Beispiel in eine schützende Unterkunft flüchten oder sich ein dickes Fell überwerfen. Liegen die Temperaturen sogar außerhalb des Bereichs der Kälte- bzw. Wärmesensoren, dann schalten sich die Schmerzrezeptoren ein, damit Mensch endlich seine Haut rettet.

Worauf die Kalt- und Warmpunkte eigentlich reagieren, ist aber noch nicht recht klar. Die Temperatur widerspiegelt einen bestimmten Energiegehalt der Luft. Die Kalt- und Warmpunkte sollen diesen Energiegehalt messen. Das machen sie, indem sie ihn mit ihrem eigenen Energiegehalt vergleichen. Wird die Differenz zu groß, dann generiert die Sinneszelle einen Impuls. Die Kaltpunkte sind dabei in den oberen Hautschichten eingelagert, weil die kalte Luft zuerst die Hautoberfläche erreicht und ihr Energie entzieht. Die Warmpunkte liegen tiefer im Gewebe, wohl weil Wärme nicht nur von der Luft transportiert wird, sondern auch durch die Strahlung der Sonne entsteht, die die oberen Hautschichten durchdringen kann und auf diese Weise ihr gefährdendes Potential auch in tieferem Gewebe entfaltet. Die von den Sinneszellen generierten Impulse werden an das Gehirn geleitet und dort bewertet. Maßstab dieser Bewertung ist die Aufrechterhaltung einer optimalen Körpertemperatur. Deshalb kann ein gleicher Sachverhalt in unterschiedlichen Situationen durchaus eine unterschiedliche Bewertung erfahren. Zum Beispiel kann ein Bad im kalten See trotz der Abweichung von der Körpertemperatur  als „sehr angenehm“ empfunden werden, falls der Körper vorher gehörig aufgeheizt war. Ist dem Menschlein hingegen kalt und er springt trotzdem in den See, dann wird er mit Bibbern und Zähneklappern bestraft.

Ausgangspunkt der Bewertung sind die Impulse, die die Kaltpunkte und die Warmpunkte generieren und als elektrische Ladungen an das Gehirn senden. Diese Ladungen sind weder warm noch kalt. Die Wahrnehmung „warm“ wird den Impulsen der Warmpunkte vom Gehirn zugeordnet, „kalt“ den Impulsen der Kaltpunkte. Diese Sinneseindrücke wie auch ihre Bewertungen sollen den Menschen motivieren, sich um sein körperliches Wohlbefinden zu kümmern. Im Umkehrschluss heißt das, auch warm und kalt sind keine Eigenschaften der Umwelt, sondern Erfindungen des Gehirns, auch wenn diese auf der energetischen Situation der Umwelt basieren. Da warm und kalt subjektive Empfindungen sind und keine objektiven Eigenschaften der Dinge, wäre die Formulierung „mir ist warm“ jedenfalls die bessere Wahl.

Bild: kleinepause.net

 zuletzt geändert: 26.05.2019

Ich kann dich nicht riechen

Riechen und schmecken gehören eng zusammen. Man könnte sagen, sie sind Partner, wobei sich der Geruch in vielerlei Hinsicht als Chef geriert. Schmecken kann man zum Beispiel erst, wenn das zu begutachtende bereits in den Mund gelangt ist. Das ist für viele Gefahren, die auf uns lauern, etwas spät. Wenn man Asche im Mund wahrnimmt, dann ist das Feuer bereits so nah, dass es mit dem Weglaufen schwierig werden dürfte. Aber, kein Feuer ohne Rauch. Der Rauch besteht aus einzelnen Molekülen, die der Wind schnell davonträgt und die deshalb den Flammen weit vorauseilen können. Für die Wahrnehmung dieser Partikel ist der Geruchssinn zuständig. Der Geruch warnt jedoch nicht nur vor Gefahren, er hilft auch dem Jäger, der Spur der erstrebten Beute zu folgen. Selbst pflanzliche Nahrung kann mit Hilfe des Geruchs ausgemacht werden. Die Partikel offenbaren zudem, ob die anvisierte Nahrung genießbar ist oder vielleicht schon verdorben. Als verdorben erkannte Nahrungsmittel braucht man nicht mehr in den Mund zu schieben, um festzustellen, dass sie nicht bekömmlich sind.

Wie der Geruch hilft, eine Nahrungsquelle aufzuspüren, führen uns Neugeborene überzeugend vor. Sie erschnuppern die Milchquelle, die sie noch nicht sehen können, und docken zielstrebig an. Das Baby trifft dazu keine Entscheidung nach dem Motto „oh, eine Milchquelle, die sollte ich probieren“, sondern der Geruch der Milch löst direkt ein vorprogrammiertes Verhalten aus. Diese direkte Kopplung von Geruch und Verhalten lässt sich auch in anderen Zusammenhängen beobachten. So kündigt sich die genetische Verfasstheit eines Menschen, die bei der Partnerwahl von großer Bedeutung ist, ebenfalls über den Geruch an. Menschen, die sich genetisch ähnlich sind, können sich aus diesem Grund oft „nicht riechen“. Sie werden als Partner für die Fortpflanzung abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgt nicht aus einer überlegten Entscheidung heraus, sie wird vielmehr unwillkürlich vom Geruch provoziert. Die meisten Menschen könnten in einem solchen Fall wohl nicht einmal sagen, warum sie den einen oder die andere als Partner ablehnen.

Der Duft verrät manches über die allgemeine biologische und psychische Verfassung eines Menschen. So verändern Krankheiten, Stress oder Angst das Geruchsbild. Leider scheinen wir die Fähigkeit verloren zu haben, diese Gerüche zu erkennen. Es könnte aber auch sein, dass wir viele dieser Gerüche zwar wahrnehmen, aber nicht identifizieren können. Sie beeinflussen „unerkannt“ unsere Handlungen, die dann als intuitive Aktionen oder auch nur als diffuses Gefühl in Erscheinung treten. Man kann durchaus versuchen, sich den „geheimen“ Einfluss mancher Düfte zu nutze machen, jedenfalls soll es Männer geben, die schon mal mit sexuellen Lockstoffen experimentiert haben. Allerdings muss man neidlos anerkennen, dass auch auf diesem Feld Frauen weit überlegen sind.

Wie entsteht Geruch überhaupt? Lebewesen, wie auch alle anderen Dinge in unserer Welt, sondern Moleküle ab, beziehungsweise diese lösen sich aus dem Verbund der Stoffe. Sie werden über die Luft davongetragen, bis sie sich wieder irgendwo anlagern. Atmet man diese Moleküle mit der Luft ein, gelangen sie auf ihrem Weg durch die Nase zur Riechschleimhaut. Auf diesem nur wenige Quadratzentimeter großen Fleck befinden sich 10 bis 30 Millionen Riechzellen, die insgesamt 350 bis 400 verschiedene Duftrezeptoren tragen. Jeder Duftrezeptor hat sich auf Moleküle mit einer bestimmten Struktur spezialisiert, die er, so sie in seine Nähe geraten, einfängt. Wenn er eines erwischt hat, wird durch die Sinneszelle ein elektrischer Impuls an das Gehirn gesandt. Das Gehirn wiederum registriert, welcher Rezeptor reagiert hat und ordnet dem Signal eine entsprechende Duftnuance zu. Die verschiedenen Nuancen können in unterschiedlicher Weise kombiniert sein, so dass eine unübersehbare Zahl von komplexen Düften entsteht. Ein gesunder Mensch kann mehr als 10.000 Geruchskombinationen unterscheiden, ohne freilich alle benennen zu können. Die meisten Düfte lösen auch keine unmittelbaren Aktionen aus, denn das Gehirn sortiert als erstes die extrem schwachen wie auch andere, als unwichtig erkannten, Gerüche aus. Die als wichtig eingestuften Düfte führen in der Regel zur Aktivierung eines in den Genen hinterlegten Reflexes. So macht der Duft von leckerem Essen den Mund wässrig, ohne dass man darüber nachdenken müsste. Wird den eingehenden Duftinformationen eine sehr hohe Relevanz zugeordnet, zum Beispiel, weil sie Feuer signalisieren, dann ist eine komplexe Bewertung der Situation und eine Entscheidung über notwendige Aktionen angezeigt. Weglaufen, könnte eine Maßnahme sein, oder das Feuer löschen, wenn es denn möglich ist.

Bild: spieleundzukunft.de

 zuletzt geändert: 28.05.2019

 

 

 

Musik ist meine Welt

Man hat den Eindruck, Musik wird für die Menschen immer wichtiger. Ob beim Sport, beim Autofahren oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Tanzen, Lieben, Lernen, im Film oder in einer Show – Musik ist immer dabei. Woher kommt das? Sind die Menschen heute musikalischer als früher? Musik hat im Leben der Menschen schon immer eine Rolle gespielt. In den Anfängen der Menschheitsentwicklung war das wichtigste Instrument sicher die Stimme – die ruhige Stimme der Mutter, die ihr Baby in den Schlaf singt, die fordernde Stimme, die zur Jagd oder gar zum Kriegszug ruft und natürlich die werbende Stimme der Liebenden. Bald kamen zum Gesang Instrumente hinzu, die vor allem den Rhythmus betonten und auf diese Weise zum Tanz aufforderten. Hinzu kamen auch Worte, die, mitunter beschwörend, das Anliegen der Musik unterstützten.

Die Menschwerdung war in besonderem Maße mit der Herausbildung der Sprache verbunden. Sprache basiert auf der Bildung von Wörtern, die nach bestimmten Regeln kombiniert werden, so dass man mit ihnen unterschiedliche Dinge und Sachverhalte für alle gleichermaßen verständlich beschreiben kann. Natürlich lassen sich mit der Sprache auch Emotionen ausdrücken oder beeinflussen. Die Worte brauchen dafür jedoch einen langen Weg. Sie müssen erst einmal akkustisch verstanden werden, dann ordnet ihnen das Gehirn einen Inhalt zu, der im Kontext der Situation interpretiert werden muss, bevor die gewünschte Wirkung erzielt werden kann. Musik hat den Vorteil, dass sie einen direkten Zugang zu der Gefühlen der Menschen findet.

Die meisten Männer waren wahrscheinlich schon einmal in der Situation, eine Liebererklärung oder gar einen Heiratsantrag formulieren zu wollen. Oh Schreck, das kann ziemlich in die Hose gehen. Auf die wohl gesetzten Worte ist nämlich nicht immer Verlass. Man kann sich alles so schön ausmalen, wenn die Umstände nicht passen oder die Angebetete nicht in Stimmung ist, dann steht der Erfolg in den Sternen. Also, eine entsprechende Stimmung muss her. Gutes Essen, Blumen, Kerzen, vielleicht ein Geschenk – das alles kann von Nutzen sein. Eines sollte nicht fehlen: die passende Musik. Musik hilft, ein stimmungsvolles Ambiente zu erzeugen. Auch der Klang und die Färbung der Stimme des Werbenden spielen eine Rolle. Der Klang der Stimme drückt direkter als die gebrauchten Worte es vermögen, die Gefühle aus. Letztlich ist es in einer solchen Situation wohl nicht entscheidend, was man sagt, sondern wie es gesagt wird.

Mit der Stimme lassen sich nicht nur liebevolle Gefühle, sondern auch Abneigung, Hass, Überheblichkeit oder Desinteresse  transportieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Musik, auch sie kann ganz unterschiedliche Gefühle ansprechen. Zur Untermalung eines Heiratsantrags würde man wahrscheinlich nicht auf einen Militärmarsch zurückgreifen, denn der würde bei der Angebeteten kaum eine gnädige Stimmung erzeugen. Wahrscheinlich würde sie einem „Durchmarsch“ ins Ehebett mit Widerstand begegnen. Zum Glück gibt es für jede Situation die passende Musik – seien es Kinderlieder, Kirchenlieder, Liebeslieder, Trauermusik, Tanzmusik,  Musik zur Entspannung oder zum Anheizen von Aggressionen. Die verschiedenen Arten von Musik sind Ausdruck von Stimmungen und sie erzeugen oder verstärken diese. Worte sind dazu nicht zwingend erforderlich. Trotzdem können Worte aber auch passende Geräusche die emotionale Wirkung einer Musik verstärken.

Bleibt die Frage, warum Musik für uns scheinbar immer wichtiger wird. Wir leben in einer stark vernetzten Welt, in der verbale Kommunikation, basierend auf Sprache und Schrift, allgegenwärtig erscheint. Nur wer in der Lage ist, persönliche Netzwerke aufzubauen, zu pflegen und zu erweitern, hat gute Chancen auf beruflichen Erfolg. Ob man einen Job sucht, Produkte vermarkten oder seine Ideen unter das Volk bringen will, keiner kommt an einem solchen auf verbaler Kommunikation beruhenden Networking vorbei. Das führt letztlich auch dazu, dass man sich mit seinem Leben immer mehr in die Öffentlichkeit begibt. Dieses Leben in der Öffentlichkeit schreit förmlich nach einem Gegengewicht, nach Möglichkeiten des „Für-sich-seins“. Eine solche Möglichkeit ist die Musik. Sie bietet gleichzeitig die Chance, dieses „Für-sich-sein“ mit anderen zu teilen, wenn man es denn will. Musik ist darüber hinaus in unserer so kompliziert gewordenen Welt etwas Einfaches, das nicht erklärt werden muss, das direkt die Gefühle anspricht. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass Musik jeder Art heute beinahe immer und überall verfügbar ist.

Aber, was ist Musik überhaupt? Ganz nüchtern betrachtet entsteht Musik dadurch, dass mit Hilfe von Instrumenten Schwingungen erzeugt werden. Derartige Instrumente können die Stimmbänder eines Menschen sein, aber natürlich auch die mechanisch zum Schwingen gebrachten Saiten einer Gitarre oder eine Lautsprechermembran, die mit Hilfe von elektrischem Strom Schwingungen erzeugt. Das, was da zum Schwingen gebracht wird, ist die Luft. Die Schwingungen der Luft breiten sich in Form von Schallwellen aus. Aber, wie wird bewegte Luft zu Musik? Wir nehmen Musik mit einem Sinnesorgan wahr – dem Ohr. In das Ohr gelangen die Schallwellen vorwiegend über die Ohrmuschel und den äußeren Gehörgang. Sie werden zum Trommelfell weitergeleitet, dass von den Schallwellen seinerseits in Schwingungen versetzt wird. Im Innenohr werden die Luftwellen dann in Flüssigkeitswellen, das heißt in Bewegungen der dort vorhandenen Lymphe, umgewandelt. Diese Flüssigkeitswellen treffen auf Haarzellen, die die eigentlichen Sinneszellen sind. Wird eine der zirka 3.500 Haarzellen durch die Lymphe bewegt, generiert sie einen elektrischen Impuls, der an das Gehirn weitergeleitet wird.

Durch ihre differenzierte räumliche Struktur reagieren die Haarzellen jeweils auf spezielle Frequenzen im Bereich von 16 Hz bis 20.000 Hz. Auf diese Weise kann das Gehirn die von den Haarzellen eingehenden Signale nach der Frequenz der ursprünglichen Schallwellen unterscheiden. Außerdem haben die Schallwellen einen unterschiedlichen Energiegehalt, der sich im Druck, mit dem die Schallwelle auf das Ohr trifft, manifestiert. Der unterschiedliche Druck führt letztlich zu unterschiedlich starken Bewegungen der Haarzellen und damit zu unterschiedlich intensiven Impulsen an das Gehirn. Damit sich die Haarzellen überhaupt bewegen, das heißt, damit man etwas hören kann, muss die auftreffende Schallwelle eine Mindeststärke haben. Ist sie wiederum zu stark, das heißt zu energiereich, kann sie die Haarzellen schädigen, unter Umständen sogar zerstören.

Das Gehirn ordnet den von den Haarzellen eintreffenden Impulsen Sinneseindrücke zu. Das können Geräusche, Laute oder Töne sein. Impulse, die für hochfrequente Schallwellen stehen, werden durch hohe Töne gekennzeichnet. Impulse, die von niedrigfrequenten Schallwellen initiiert wurden, sind mit tiefen Tönen besetzt. Die Stärke des Impulses wird über unterschiedliche Lautstärken differenziert. Würde das Gehirn es dabei bewenden lassen, dann würde das unserem armen Menschlein wahrscheinlich wenig helfen, schon gar nicht, wenn er in einer Großstadt lebt. Der auf ihn hereinbrechende Schwall von Geräuschen, Lauten und Tönen würde ihn binnen kurzer Zeit zur Verzweiflung treiben. Das Gehirn hat also noch eine weitere Aufgabe, nämlich die Schallquellen voneinander abzugrenzen. Dabei ist es hilfreich, dass wir zwei Ohren haben und auf diese Weise den jeweiligen Verursacher der Schallwellen recht präzise orten können. So können wir unwichtig erscheinende Schallquellen ausblenden und uns auf wichtiges konzentrieren.

Ähnlich wie beim Sehen ist auch beim Hören der Umstand, dass eine Sinneszelle nicht reagiert, also keinen Impuls aussendet, ebenfalls eine Information, die vom Gehirn verarbeitet wird. Ganz allgemein wird dem Ausbleiben von Signalen der Haarzellen der Sinneseindruck Stille oder Lautlosigkeit zugeordnet. Es mag zwar ab und an angenehm sein, Stille zu genießen, an dieser Stelle ist jedoch der Umstand wichtiger, dass durch diese Fähigkeit des Gehirns die kurzen Pausen zwischen den Lauten und Tönen erkannt werden können. Nur mit Hilfe dieser Pausen kann der Geräuschebrei aufgelöst, können Laut- oder Tonfolgen erkannt werden.

Beim Sprechen werden also Schallwellen erzeugt, mit Pausen darin. Die Schallwellen gelangen in das Ohr und generieren dort elektrische Impulse, die an das Gehirn weitergeleitet werden. Das Gehirn ordnet den damit verbundenen Informationen Laute zu. Bestimmte Lautfolgen ergeben Wörter. Diese Lautfolgen oder Wörter gleicht das Gehirn mit dem Speicher, dem Gedächtnis ab. Wird es fündig, kann es der Lautfolge den gespeicherten Sinn zuordnen und der weiteren Verarbeitung zur Verfügung stellen. Bei der Musik funktioniert das ähnlich. Auch hier werden die elektrischen Impulse von den Sinneszellen an das Gehirn weitergeleitet. Das Gehirn ordnet diesen Signalen Sinneseindrücke, das heißt Töne und Tonfolgen oder auch Geräusche zu, die mit dem Speicher abgeglichen werden. Wird das Gehirn fündig, dann erkennt man die Melodien und kann mitsummen. Selbst wenn man die konkrete Melodie nicht erkennen sollte, so kann man sie vielleicht einem Musikgenre zuordnen und schon nach den ersten Takten feststellen,ob einem diese Musik gefällt. Erfahrungen spielen also bei der Entwicklung von musikalischen Vorlieben eine große Rolle. Da immer neue Erfahrungen hinzukommen, können sich die Vorlieben ändern.

Neben dem durch Erfahrungen geprägten Musikgeschmack gibt es noch ein weiteres Kriterium, an dem sich entscheidet, ob uns eine Musik gefällt oder nicht – ihr Rhythmus. Ob man den jeweiligen Rhythmus als angenehm empfindet oder nicht, hängt wahrscheinlich mit den Biorhythmen des Körpers zusammen. Ähnliches gilt übrigens auch für Tonfolgen. Es scheint eine Affinität des Körpers für Harmonien zu geben, jedenfalls gibt es kaum eine andere plausible Erklärung für unsere Harmoniesüchtigkeit in puncto Musik. Es sind also mehrere Faktoren, die unsere Musikvorlieben beeinflussen. Der wichtigste Unterschied zur Sprache besteht jedoch darin, dass Musik nicht erst analysiert werden muss, damit man ihre Bedeutung versteht. Sie transportiert Gefühle unmittelbar. Und trotzdem – erst in unserem Kopf verwandelt sich bewegte Luft in Geräusche, Sprache und Musik.

Bild: Francesco de Murau – Der Lautenspieler

 Zuletzt geändert: 13.01.2019

 

Die Geschmäcker sind verschieden

Wo mag diese Binsenweisheit herkommen? Sicher, der Geschmack der Menschen ist in puncto Farben, Design, Musik und vielem anderen unterschiedlich. Gott sei Dank, möchte man sagen. Die Alternative wäre ein abgeschmacktes Einerlei – wie langweilig. Aber warum sind die Geschmäcker unterschiedlich? Man kommt dieser Frage wohl nur näher, wenn man sich der Bedeutung von „Geschmack“ zuwendet. Geschmack steht eigentlich nicht allgemein für das, was gefällt, er hat vielmehr etwas mit dem Schmecken, also einer speziellen Wahrnehmung zu tun. Der dafür verantwortliche Geschmackssinn wird zu den am wenigsten ausgeprägten Sinnen des Menschen gezählt. Trotzdem war er für unsere frühen Vorfahren überlebenswichtig. Mit Hilfe des Schmeckens konnte das, was man in den Mund schob, dahingehend bewertet werden, ob es als Nahrung taugte oder eben nicht. Neugeborene haben zum Beispiel eine Vorliebe für Süßes und für den Geschmack von Eiweiß (umami). Beides signalisiert, dass das, was da gerade in den Mund gelangt, nahrhaft ist. Saures und Bitteres werden dagegen vehement abgelehnt. Sauer sind Früchte, die noch nicht reif oder gar vergoren sind. Sie sind nur bedingt bekömmlich und kommen als Energielieferanten kaum in Betracht. Bitteres kann sogar giftig sein. Salziges mögen wir in Maßen, weil der Körper Salz braucht. Zu viel Salz bringt ihn um.

So weit so gut, aber wie entsteht Geschmack? Energetische Strahlen oder bewegte Luft scheinen diesmal nicht im Spiel zu sein, erforderlich sind jedoch Sinneszellen, die einen elektrischen Impuls generieren, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Solcherart Sinneszellen befinden sich zu jeweils 30 bis 70 Stück in Geschmacksknospen, die an Zunge, Gaumen und Kehldeckel sitzen. Ein Erwachsener verfügt über 2.000 bis 5.000 solcher Geschmacksknospen, bei Jugendlichen zählt man allerdings noch bis zu 9.000. Warum aber nimmt die Zahl der Geschmacksknospen mit dem Erwachsenwerden ab? Wahrscheinlich hängt das mit den Veränderungen, die sich im Laufe der Evolution ergaben, zusammen. Ursprünglich war der Geschmack überlebenswichtig, was sich in seiner Rolle, die er noch heute für Neugeborene hat, widerspiegelt. Im Laufe der Evolution gewannen jedoch andere Informationsquellen beziehungsweise Sinnesorgane größere Bedeutung. Diese Veränderung scheint ihren Niederschlag sich in einer Verringerung der Geschmacksknospen während des Heranwachsens niederzuschlagen.

Die in den Geschmacksknospen versammelten Rezeptoren sind auf unterschiedliche Stoffe spezialisiert, die als süß, sauer, salzig, umami oder bitter identifiziert werden. In den letzten Jahren hat man auch Rezeptoren für Fett nachgewiesen. Die einzelnen Stoffe reizen die Sinneszellen des Geschmacks auf unterschiedliche Weise. Man vermutet, dass salzige und saure Stoffe eine schwache elektrische Spannung im Inneren der entsprechenden Sinneszellen erzeugen und auf diese Weise einen elektrischen Impuls auslösen. Bitter, süß und umami werden identifiziert, indem die im Speichel gelösten Moleküle an entsprechende Rezeptoreiweiße andocken und dort biochemische Prozesse bewirken, die wiederum einen elektrischen Impuls freisetzen. Die Rezeptoren für Bitteres sind in 25 verschiedene Unterarten differenziert, denn als bitter werden Stoffe wahrgenommen, die für den Körper schädlich sein können. Es ist wichtig, diese Stoffe zuverlässig und schnell zu bestimmen, um sofort eine gezielte Reaktion zu ermöglichen. Ausspucken könnte eine Maßnahme sein, aber auch das Herauswürgen des bereits Verschluckten. Süß und umami sind nicht gefährlich, ganz im Gegenteil. Die entsprechenden Rezeptoren sind deshalb nicht eng spezialisiert, sie gleichen mehr einem Universalschloss, in das verschiedene Schlüssel ähnlicher Bauart passen. Das heißt, an die Rezeptoren für Süßes kann nicht nur Zucker andocken, auch andere ähnliche Moleküle finden Zugang, die dann ebenfalls als süß wahrgenommen werden. Diesen Umstand macht man sich beim Einsatz von Süßstoffen zunutze.

Den verschiedenen Sinneszellen ist gemeinsam, dass sie einen elektrischen Impuls an das Gehirn senden, sobald ein entsprechender Stoff registriert wird. Das Gehirn ordnet dem Signal der Sinneszelle einen spezifischen Geschmack oder besser eine Geschmacksnuance zu. Der Geschmack im komplexen Sinne ergibt sich aus der Kombination der zum gleichen Zeitpunkt eintreffenden Informationen, die zueinander in Beziehung gesetzt werden, so dass ein Geschmacksbild entsteht. Das Gehirn gleicht dieses Geschmacksbild mit Erfahrungen ab, um auf diese Weise die jeweilige Kombination von Geschmacksnuancen zu identifizieren und ihm eine Bewertung, zum Beispiel „wohlschmeckend“, zuzuordnen. Nehmen wir nun Zucker als süß wahr, weil er süß ist, oder ordnet unser Gehirn dem Zucker die uns angenehme Wahrnehmung „süß“ zu, weil er eine vielversprechende Energiequelle darstellt? Süß als Anreiz, sozusagen. Da die Geschmackszellen elektrische Impulse an das Gehirn senden, die selbst weder süß noch sauer sein können, muss es wohl wieder das Gehirn sein, das sich als sorgender Übervater betätigt und den einzelnen Signalen spezifische Wahrnehmungen zuordnet. Im Umkehrschluss heißt das, auch Geschmack ist nur eine Fiktion. Weder Zucker, noch Fleisch, noch irgendetwas anderes, was man in den Mund schiebt, hat „Geschmack“. Der Geschmack wird den Stoffen vom Gehirn zugeordnet. Ja mehr noch, jedem Geschmack wird gleich noch eine Bewertung beigegeben. Nahrhafte Dinge sind wohlschmeckend beziehungsweise angenehm, potentiell gefährliche eher weniger.

Bleibt die Frage, wieso die Geschmäcker von Mensch zu Mensch verschieden sind? Dafür kommen mehrere Ursachen in Frage. Eine relativ große Rolle spielen die Gene. Man hat herausgefunden, dass zirka 50 Gene den Geschmack des Menschen beeinflussen. Von diesen Genen ist immer nur ein Teil aktiv. Bei wem welche geschmacksrelevanten Gene aktiv sind und welche nicht, dafür scheint es keine Regel zu geben, jedenfalls hat man bisher keine gefunden. Auf diese Weise entsteht eine riesige Zahl von möglichen Kombinationen aktiver, den Geschmack prägender Gene.

Der Geschmack wird aber nicht nur durch Gene sondern auch durch Erfahrungen geprägt und verändert. Man denke nur daran, dass kaum einem Heranwachsenden Bier wirklich schmeckt, denn es ist leicht bitter. Leider ist dies keine dauerhafte Barriere, wie man weiß. Der Rausch, den der Alkohol erzeugt, überdeckt die Abneigung gegen Bitteres nur allzu schnell. Da ich Wein liebe, fand ich auch folgendes Beispiel interessant. Die Erfahrung lehrt, dass Rotweine meist dutch kräftigere Aromen gekennzeichnet sind als Weißweine. Bei einer Verkostung eines roten und eines weißen Weines, die ansonsten aber einen ähnlichen Charakter zeigen, würde die Bewertung der Weine, der Erfahrung folgend, dem roten kräftigere Aromen bescheinigen. Werden die selben Weine mit verbundenen Augen verkostet, dann stellen die meisten Probanden jedoch kaum Unterschiede fest.

Neben den Genen und den Erfahrungen gibt es viele weitere Faktoren, die ein Geschmackserlebnis beeinflussen. Einer dieser Faktoren ist das Allgemeinbefinden. Wenn ein Mensch krank ist und es ihm schlecht geht, dann kann ihn Essen womöglich überhaupt nicht locken. Nichts würde schmecken. Hat gar Montezumas Rache zugeschlagen, dann können schon geringste Spuren eines eigentlich geliebten Gewürzes Brechreiz auslösen. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Ist es bitter kalt, schmecken andere Dinge, als wenn es drückend heiß wäre. Natürlich kann auch das, was wir kurz vorher gegessen oder getrunken haben, das Geschmackserlebnis beeinflussen. Noch etwas. Wir wissen, Hunger ist der beste Koch. Das heißt, je hungriger jemand ist, desto besser wird ihm das Essen schmecken. Für den Ausgehungerten ist selbst trockenes Brot eine Delikatesse. Umgekehrt mag dem Satten auch die tollste Leckerei ungenießbar erscheinen. Eine lila Kuh wird nach dem Verzehr von drei Tafeln Vollmichschokolade bei den meisten Menschen eher Ekel als freudige Erwartung auslösen. Es soll nicht unterschlagen werden, dass auch der Geruch am Geschmackserlebnis maßgeblich beteiligt ist. Hinzu kommt der Tastsinn im Mund, der uns die Konsistenz der Speisen signalisiert. Auch die Temperatur der Speisen und das Schmerzempfinden spielen eine Rolle. So ist die von vielen geschätzte Schärfe eigentlich ein Schmerz, den scharfe Gewürze im Mundraum verursachen. Zu guter Letzt trägt auch noch das Auge seinen Teil zum Geschmackserlebnis bei. Es isst mit, wie man sagt. Gemeint ist, dass ein ansprechendes Aussehen und Arrangement der Speisen ebenso wie ein gelungenes Embiente im Raum das Geschmackserlebnis befördern.

Gerade beim Geschmack wird also deutlich, dass das Gehirn dem ursprünglichen Signal der entsprechenden Sinneszellen nicht nur einen Eindruck, einen Geschmack zuordnet, sondern dass es auf der Grundlage vielfältiger Faktoren diese Wahrnehmung jedes Mal neu bewertet. Auf diese Weise entsteht für ein und dieselbe Speise nicht nur bei verschiedenen Menschen ein unterschiedlicher Geschmack, das Geschmackserlebnis wird auch beim selben Menschen je nach Lebenssituation unterschiedlich sein. Diese individuelle Bestimmtheit des Geschmacks hat sicher dazu beigetragen, dass der Begriff des Geschmacks auch in anderen Zusammenhängen Anwendung fand.

Bild: www.stuttgarter-zeitung.de

 Zuletzt geändert: 26.05.2019

Licht soll es werden

Quelle 4ever.eu

Licht gehört zu den ersten Eindrücken, die ein werdender Mensch von seiner zukünftigen Umwelt aufnimmt. Bereits ab der 18. Woche der Schwangerschaft sind die Augen des Fötus lichtempfindlich. Das kann man getrost als Zeichen dafür verstehen, dass Licht  eine herausragende Rolle für ihn und für sein Leben spielen wird. Es ist aber auch Indiz dafür, dass lichtempfindliche Sinneszellen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Evolution entstanden sind. Die meisten Pflanzen und Tiere reagieren auf Licht. Aber, was ist Licht eigentlich?

Licht, das ist Energie in Form von Lichtquanten, Photonen genannt. Die wichtigste Licht- und damit Energiequelle für uns Erdlinge ist die Sonne, die uns mit Photonen geradezu überschüttet. Sie nähern sich uns mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern in der Sekunde. Außer durch diese Reisegeschwindigkeit ist Licht durch seine Frequenz charakterisiert. Mit Frequenz bezeichnet man die Häufigkeit sich wiederholender Vorgänge in einer Zeiteinheit. Die gängige Theorie beschreibt diese sich wiederholenden Vorgänge als Schwingungen, aber auch Drehungen um sich selbst würden den Tatbestand erfüllen. Während die Geschwindigkeit, mit der die Photonen durchs Weltall reisen, für alle die gleiche ist, kann ihre Frequenz und damit ihr Energiegehalt durchaus unterschiedlich sein. Die Frequenz der für uns sichtbaren Photonen bewegt sich im Bereich von 400 bis 750 Billionen Zyklen pro Sekunde. Ich gebe zu, dieser irrwitzige Takt sprengt meine Vorstellungskraft. Trotzdem müssen wir uns der Frage stellen, wieso Photonen mit diesen Frequenzen eine wichtige Informationsquelle für uns sind. Wollten wir nur den Stand der Sonne feststellen, um ihr unser Gesicht, der Sonnenblume gleich, entgegenzustrecken, reichten einfache Sinneszellen aus. Dazu wären keine hochkomplexen Sinnesorgane, wie unsere Augen, erforderlich. Der Informationswert des Lichts hängt also nicht primär mit dem Stand der Sonne zusammen. Womit dann?

Der Informationswert des Lichts hängt damit zusammen, dass die Dinge um uns herum unterschiedlich auf die von der Sonne ausgesandten Photonen reagieren. Die einen fühlen sich von ihnen belästigt und geben die zusätzliche Energie schnell wieder ab, andere wiederum sind bereit, die ankommende Energie aufzunehmen. Die meisten Dinge sind jedoch unentschieden, sie reflektieren einen Teil der Photonen und absorbieren einen anderen. Kann man diese Unterschiede erfassén, dann ist es möglich, die Dinge voneinander abzugrenzen. Für die Erfassung der von den Dingen abgestrahlten Photonen sind unsere Augen zuständig, speziell die Stäbchen und Zapfen auf ihrer Netzhaut. Sie reagieren auf die eintreffenden Photonen, indem sie deren Energie aufnehmen und einen elektrischen Impuls generieren, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Jeder dieser Impulse vermittelt die Information, dass ein Photon eingetroffen ist. Da sich die Rezeptoren an unterschiedlichen Stellen der Netzhaut befinden, kann die Quelle, von der das eintreffende Photon abgestrahlt wurde, ziemlich genau bestimmt werden. Hinzu kommt, dass wir die jeweilige Lichtquelle mit beiden Augen, also aus unterschiedlichen Gesichtswinkeln lokalisieren, so dass eine räumliche Vorstellung der Dinge entsteht.

Es drängt sich die Frage auf, wieso wir nur Photonen in dem eingeschränkten Bereich des für uns sichtbaren Lichts wahrnehmen können. Vermutlich wäre es für die Evolution ein Leichtes gewesen, unsere Augen für einen größeren Frequenzbereich auszulegen. Der begrenzende Faktor liegt wahrscheinlich in dem Umstand begründet, dass für die Gewinnung und Verarbeitung der Informationen so rare Güter wie Zeit und Energie erforderlich sind. Wenn man bedenkt, dass jedes unserer Augen schon jetzt rund 126 Millionen Lichtrezeptoren besitzt, dann sollte klar sein, dass eine weitere Aufrüstung an Grenzen stoßen musste. Die Beschränkung auf die für die Orientierung wichtigsten Frequenzen ist demnach nicht als Manko sondern als Optimierung zu verstehen.

Da wir zwei Arten von Lichtrezeptoren besitzen, entsteht die Frage, worin sie sich unterscheiden. Fangen wir mit den Stäbchen an. Stäbchen reagieren auf das gesamte Spektrum des für uns sichtbaren Lichts. Sie sind dabei tausendmal empfindlicher als die Zapfen. Durch ihre hohe Empfindlichkeit ermöglichen die Stäbchen das Sehen auch dann, wenn nur eine geringe Lichtmenge vorhanden ist, wenn nur wenige Photonen auf die Augen treffen. Die Kehrseite dieser Lichtempfindlichkeit ist, dass die Stäbchen bei hoher Lichtintensität keine Informationen liefern können, da für sie dann alles nur noch “hell” ist. Jedes Stäbchen liefert die Information für einen Bildpunkt, der entweder angeknipst oder ausgeschaltet ist. Angeknipst heißt, Photon ist eingetroffen und der Bildpunkt ist hell. Ist kein Photon eingetroffen, bleibt der Bildpunkt dunkel. Auf diese Weise entsteht ein Rasterbild mit hellen und dunklen Punkten. Da die Zahl der Bildpunkte deutlich höher ist als die Auflösung des Bildes, das uns das Gehirn zur Verfügung stellt, kann man diese Rasterpunkte, ähnlich wie beim Fernseher, nicht wahrnehmen. Statt eines Teppichs heller und dunkler Punkte erkennen wir helle und dunkle Flächen, aber auch solche, die weniger hell oder weniger dunkel sind. Letztere bilden eine breite Palette grau erscheinender Abstufungen.

Es ist durchaus ein Erlebnis, nachts durch einen Park zu schlendern. Der Park soll nicht beleuchtet und der Himmel eher verhangen sein, so dass nur ein geringer Rest von Licht verbleibt. Nach einiger Zeit hat sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt. Mehr schemenhaft als scharf zeichnen sich nun die Umrisse der nahestehenden Bäume ab. Sie sind dunkler als ihre Umgebung, da das Holz das Licht stärker absorbiert. Da taucht eine Pfütze auf. Sie verrät sich, weil an ihrer Oberfläche ein flüchtiges Sternenlicht gespiegelt wird. Oh, was war das? Da bewegte sich etwas. Es könnte ein Reh gewesen sein, dass über die Lichtung huschte. Erwacht da etwa der Jagdinstinkt? Vielleicht war es aber auch nur eine Katze. In der Nacht sind alle Katzen grau.

Je nach dem wie stark das Licht reflektiert oder absorbiert wird, erscheint das jeweilige Etwas also heller oder dunkler. Auf diese Weise grenzen sich die Dinge voneinander ab. Sie lassen sich selbst bei geringem Licht nach ihrer Helligkeit unterscheiden. Bäume werden erkennbar, Pfützen, Rehe, Katzen, auch wenn sie etwas unscharf sind und irgendwie grau erscheinen. Die Vielfalt der Graustufen eröffnet die Chance, sich auch im Dämmerlicht zurechtzufinden und mit Erfolg auf die Jagd zu gehen. Das mag für unsere Vorfahren von großer Bedeutung gewesen sein, hing ihr Überleben doch oft vom Jagderfolg ab, mitunter auch von der schnellen Flucht vor plötzlich auftauchenden Räubern. Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr verwunderlich, dass 95% der Lichtrezeptoren des Auges Stäbchen sind, obwohl wir heute eher selten auf Jagd gehen.

Für uns Heutige ist die Vielfalt des Grauen in der Dämmerung wohl eher zum Fürchten. Wir lieben es hell und bunt. Nun kommen die Zapfen ins Spiel. Es gibt drei Arten von Zapfen – S steht für short, das heißt kurze Bewegungszyklen beziehungsweise hohe Frequenzen, M für mittlere und L für lange, also geringe Frequenzen. Gemeint ist jeweils der Teil des Lichtspektrums, auf den diese Zapfen reagieren. Die Zapfen reagieren überhaupt erst ab einer bestimmten Intensität des Lichts, eigentlich erst dann, wenn die Stäbchen ihren Dienst wegen Überlastung bereits eingestellt haben. Also hell muss es sein. Die Wirkungsweise der Zapfen ist im Prinzip nicht viel anders als die der Stäbchen. Sie reagieren auf das Eintreffen von Photonen, indem sie einen elektrischen Impuls generieren, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Der Unterschied zu den Stäbchen besteht darin, dass die Zapfen nicht auf das gesamte Spektrum des sichtbaren Lichts reagieren, sondern nur auf einen Teil desselben. Wozu soll das gut sein, könnte man fragen. Nun, die Dinge um uns herum reflektieren nicht schlechthin einen Teil des eintreffenden Lichts, wofür die Unterscheidung nach hell und dunkel ausreichend wäre, sie sind bei der Reflexion des Lichts auch noch wählerisch. Einige Teile des Lichts, mit deren Frequenzen sie etwas anfangen können, werden von ihnen absorbiert, andere wollen sie schnell wieder loswerden. Sie werden reflektiert, das heißt in Form von Photonen wieder abgestrahlt. Jedes Ding macht das auf seine Art, wodurch es zu einer spezifischen Quelle von Licht wird, eines Lichts, das jeweils nur einige Frequenzen umfasst. Diese Eigenart der Dinge zu erkennen, ermöglicht es, sie besser zu unterscheiden. Der Nachteil des Ganzen ist, dass eine riesige Menge von Informationen generiert wird, die so verarbeitet werden muss, dass sie tatsächlich hilft, sich in der Welt zurechtzufinden. Mutter Natur hat auch für dieses Problem eine Lösung gefunden – die Farben.

Ich liebe Rosen. Besonders mag ich Rosen in einem leuchtenden rot. Wieso sind die Blütenblätter dieser Rosen so wunderbar rot? Sie reflektieren vom auftreffenden Sonnenlicht halt nur den Teil mit einer Frequenz von 430 bis 480 THz. Alle anderen Lichtbestandteile werden durch die Blütenblätter absorbiert, das heißt aufgesogen. Das Resultat dieses Phänomens ist, dass nur ein Teil der Zapfen des Auges, nämlich die L-Zapfen, anspringen. Die anderen können beim Anblick der Rose nur konstatieren, dass sie nicht betroffen sind. Die L-Zapfen senden Impulse an das Gehirn, die signalisieren, dass die Blütenblätter dieser Rose Licht einer bestimmten Frequenz intensiv reflektieren, das heißt abstrahlen. Das Gehirn verarbeitet diese Impulse ebenso wie das Nichtbetroffensein der beiden anderen Zapfenarten und kommt zu dem Schluss, die Blüte dieser Rose muss satt rot sein. Der Stengel mit seinen Blättern dagegen ist grün.

Bei den Stäbchen war der Abwesenheit von Licht die Wahrnehmung “dunkel” und der Anwesenheit von Licht die Wahrnehmung “hell” zugeordnet worden. Jetzt haben wir drei verschiedene Arten von Zapfen, die Informationen über die Anwesenheit von Licht eines bestimmten Frequenzbereiches liefern und dies, wegen der vergleichsweise geringen Zahl der Zapfen, in einer deutlich geringeren Dichte als die Stäbchen. Daraus könnten Fehler bei der Interpretation nicht vorhandener Signale entstehen. Um dem vorzubeugen, gibt es die Zapfen in jeweils zwei Varianten. Die einen generieren einen Impuls, wenn ihr bevorzugtes Licht eingetroffen ist und die anderen, wenn sie leer ausgegangen sind. Das eigentliche Wunder geschieht bei der Verarbeitung dieser Impulse im Gehirn. Zuerst wird die Gesamtheit der von allen drei Zapfenarten registrierten Lichtquanten ausgewertet und ihm ein Helligkeitswert beigegeben. Die Stäbchen waren ja bereits überfordert und hatten ihren Dienst eingestellt. Außerdem wird den Signalen der einzelnen Zapfen-Arten eine Farbe zugeordnet (S-Zapfen blau, M-Zapfen grün und L-Zapfen rot). Aber woher kommt der Rest der Farbenpracht? Nun, die verschiedenen Grundfarben können miteinander kombiniert werden. Wenn zum Beispiel die L- Zapfen (rot) und die M-Zapfen (grün) das Eintreffen von Photonen registrieren und die S-Zapfen Fehlmeldung geben, dann ordnet das Gehirn dem Ganzen die Farbe gelb zu. Melden alle drei Zapfen gleichermaßen Photonen, dann ist der zugeordnete Sinneseindruck weiß. Falls alle drei Zapfen das Fehlen von Photonen registrieren, kann nur schwarz die Folge sein. So weit so gut, doch wie entstehen die Farbübergänge?

Bisher haben wir so getan, als gäbe es um uns herum nur reine Oberflächen, die die Lichtstrahlen einer bestimmten Frequenz reflektieren, oder eben nicht. Stoffe sind aber nicht rein. Im Gegenteil, es herrschen Mischungen vor. Das bedeutet, dass der Farbeindruck, der von einer Oberfläche hervorgerufen wird, eigentlich eine Mischung von mehr oder weniger regelmäßig verteilten Farbpunkten sein müsste. Das wäre für die Orientierung in der Umwelt jedoch mehr verwirrend als hilfreich. Deshalb werden Farbpunkte, die relativ regelmäßig auf der Oberfläche verteilt sind, zu einem einheitlichen Farbeindruck verschmolzen. Da die Anteile der einzelnen Farbpunkte unterschiedlich ausfallen können, was ein wichtiges Merkmal für die Unterscheidung der Dinge wäre, wird dieser Farbeindruck als Abwandlung der Grundfarbe interpretiert. Auf diese Weise entsteht eine ganze Palette von Farben und Farbtönen mit einer Vielzahl von Nuancen. Sind die Beimengungen nicht gleichmäßig verteilt sondern unregelmäßig platziert, könnte auch dies eine wichtige Information sein. Die Unterschiede in der Oberfläche werden in einem solchen Fall nicht durch einen einheitlicher Farbeindruck zugedeckt, sondern sie bleiben als Flecken oder sonstige Muster erkennbar.

Noch immer ist nicht recht klar, wie aus dem Gemisch von Farbpunkten ein ganzheitlicher Farbeindruck entsteht. Es gibt da ein Phänomen, das uns vielleicht weiterhelfen kann- die Metamerie. Damit benennt man den Fakt, dass unser Gehirn unterschiedlichen Kombinationen von Photonen mitunter den selben Farbton zuordnet, obwohl sie doch eigentlich eine unterschiedliche Farbigkeit aufweisen sollten. Für dieses Phänomen gibt es eigentlich nur eine Erklärung, nämlich, dass das Gehirn den Impulsen der einzelnen Zapfen einen Wert beigibt und dann die gesammelten Werte miteinander verrechnet. Auf diese Weise entsteht ein rechnerischer Farbwert, dem ein Farbton für die gesamte betrachtete Teilfläche zugeordnet wird. Das heißt aber auch, dass die Farbigkeit der Dinge erst im Gehirn entsteht.

Da unsere Augen die von den Dingen abgestrahlten Photonen registrieren, hat natürlich auch die Zusammensetzung des auf die Dinge auftreffenden Lichts Einfluss auf die Farbwahrnehmung. So kann sich der Farbeindruck mit dem Stand der Sonne verändern, zum Beispiel dann, wenn sich die Sonne dem Horizont nähert und einzelne Lichtanteile durch den schrägen Einfallwinkel stärker von der Atmosphäre reflektiert werden als andere. Noch augenscheinlicher ist der Einfluss der Lichtquelle auf den Farbeindruck bei künstlichem Licht, da dieses meist anders als das Sonnenlicht zusammengesetzt ist. Deshalb sollte man Kleidungsstücke nur kaufen, wenn man sie auch bei Tageslicht gesehen hat. Wenn aber die Zusammensetzung des Lichts Einfluss auf unsere Farbwahrnehmung hat, dann kann die Farbe keine originäre Eigenschaft der Dinge sein.

Hell und dunkel wie auch Farben und Farbtöne nehmen wir mit unseren Augen wahr, deren Rezeptoren beim Eintreffen von Photonen elektrische Impulse an das Gehirn senden. Weder die Photonen, die sich nur in ihrer Frequenz unterscheiden, noch die elektrischen Impulse haben eine Farbe oder einen Helligkeitswert. Diese entstehen erst im Gehirn. Sie sind eine vom Gehirn erzeugte Fiktion, die uns helfen soll, die generierte Informationsflut zu überblicken und sicher in unserer Umwelt zu agieren.

An dieser Stelle sei auf den zweiten Teil verwiesen, wo mit dem sich inhaltlich anschließenden Kapitel zu „hell und dunkel“ eine Einführung in das dialektische Denken gegeben wird.

Bilder: Artikelbild – 4ever.eu, s/w Landschaft – kölnbilder.de, Farbkreis – ostalbquilter.de

zuletzt geändert: 04.04.2019

Einige Worte zum Geleit

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 zuletzt geändert: 07.03.2022