Bauern

Die Jagd hatte für das Überleben der Homo sapiens eine entscheidende Rolle gespielt. Zum Ende der Eiszeit setzte jedoch ein Massensterben von Arten ein, darunter wichtiger Beutetiere der Menschen. Gleichzeitig wurde die Vegetation vielerorts üppiger. Da traf es sich gut, dass die Menschen bereits Erfahrungen mit der Zubereitung von Pflanzen für die Ernährung gesammelt hatten. Es wurden Körner zu Mehl gemahlen, um daraus Brot zu backen, das über eine längere Zeit genießbar blieb. Man hatte gelernt, Gefäße, wie Schalen und Töpfe, aus Keramik herzustellen, in denen Pflanzen zu schmackhaften Gerichten verkocht werden konnten. Sie wurden auch zur Aufbewahrung von Körnern, Nüssen und anderen Lebensmitteln verwendet, die so vor kleinen Nagern und anderen Räubern geschützt waren. Mit der Aufwertung der pflanzlichen Nahrung gewannen die Basislager an Bedeutung, da dort bessere Möglichkeiten für deren Zubereitung bestanden. Schließlich brauchte man zum Kochen und Backen allerlei Gerätschaften, die auf einem Jagdtrip eher hinderlich waren.

Wo viel mit Früchten und Samen hantiert wird, entsteht Abfall, der, so er in den Boden gelangt, unter Umständen wieder zu keimen beginnt. Siehe da, aus solchem Abfall entstanden neue Pflanzen, die wiederum Samen und Früchte trugen. Irgendwann mag jemand auf die Idee gekommen sein, diesen Prozess nicht dem Zufall zu überlassen, sondern gezielt Samen in den gelockerten Boden einzulegen. Vielleicht war der erste Versuch gleich ein voller Erfolg, vielleicht bedurfte es aber auch mehrerer Anläufe bis ein achtbares Ergebnis erzielt wurde. Die Versuche zeigten jedenfalls, dass Pflanzen eine gewisse Pflege benötigen, wenn man einen vorzeigbaren Ertrag erzielen will. Außerdem war es notwendig, die Saat zu bewachen, damit nicht Tiere die Früchte der Arbeit raubten oder gar alles zerstörten. Um die Saat zu bewachen, musste man im Lager bleiben, das damit zu einer ständig bewohnten Siedlung, zu einem Dorf wurde. Erste Erfolge beim Anbau von Pflanzen gab es wahrscheinlich dort, wo nährstoffreiche Böden und gute klimatische Bedingungen das Wachstum begünstigten. Das Gebiet des „fruchtbaren Halbmonds“ im Nahen Osten bot diese Bedingungen. Man geht davon aus, dass dort vor 15.000 Jahren die ersten Dörfer entstanden. In Asien begann der Prozess des Sesshaftwerdens bereits einige tausend Jahre früher.

Nicht alle Stämme und Sippen wurden gleichzeitig sesshaft, manche zogen weiterhin als Wildbeuter durch die Lande. Gut ausgestattete Dörfer mögen bei ihnen oder bei weniger erfolgreichen Nachbarn Begehrlichkeiten geweckt haben. Wollten die Dörfer nicht um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden, mussten sie sich schützen. Während die Beschaffung und Zubereitung der pflanzlichen Nahrung eher Frauensache war, wurden für den Schutz der Dörfer die Männer gebraucht. Die Männer wollten und sollten aber auch auf die Jagd gehen, so dass man sich für den Schutz etwas anderes einfallen lassen musste. Wälle, Gräben und Zäune wurden errichtet, mit deren Hilfe den vielfältigen Gefahren widerstanden werden sollte. Griff jedoch eine Horde gut bewaffneter Krieger an, dann waren diese Vorkehrungen nicht ausreichend, um das Dorf durch Frauen und Halbwüchsige verteidigen zu können. Das konnte nur mit Hilfe der Männer gelingen, die dazu allerdings im Dorf bleiben mussten. Wenn die Männer aber nicht auf Jagd gehen konnten, wo sollte dann das für die Ernährung so wichtige Fleisch herkommen?

Es gab da eine Geschichte, die schon seit langem an den Lagerfeuern erzählt wurde. Ein junger Mann hatte ein Wolfsbaby gefunden, es mitgenommen und aufgezogen. Dieser Wolf wurde sein ständiger Begleiter, der ihn vor Gefahren warnte, der ihm bei der Jagd half und ihm sogar einmal das Leben rettete, als er von einem Bären angegriffen wurde. Andere meinten, ein Gott hätte den Wolf zum Helfer der Menschen bestimmt. Wie dem auch sei, der Wolf war bereits vor hunderten von Jahren zum wertvollen Helfer und Begleiter der Menschen geworden. Natürlich war es keine Lösung, jedesmal nach Wolfswelpen zu suchen und diese aufzuziehen. Das war auch nicht nötig, denn die Wölfe, die die Menschen begleiteten, paarten und vermehrten sich. Und da nur Wölfe mit bestimmten Eigenschaften als Begleiter akzeptiert werden konnten, prägten sich deren Merkmale im Laufe der Zeit stärker aus. Die Wölfe wurden zu Hunden, zu treuen Gefährten der Menschen.

Durch die Erfahrungen mit den Wölfen wurde es grundsätzlich vorstellbar, Tiere an den Menschen zu gewöhnen. Vielleicht hatte es auch schon Erlebnisse mit einem gefundenen Frischling oder einem anderen Tierbaby gegeben, das, erst Spielgefährte, später zu einer schmackhaften Mahlzeit geworden war. Für einen derartigen Leckerbissen war kein langer und gefährlicher Jagdausflug von Nöten. Hatte man eine Vielzahl solcher Tiere zur Verfügung, konnten die Männer am heimischen Herd verbleiben, das Dorf beschützen und beim Ackerbau helfen. Die Tiere mussten allerdings ständig bewacht werden, damit sie nicht davonliefen oder zur Beute hungriger Raubtiere wurden. Deshalb wurden sie mit in die Behausung genommen oder anderweitig in der Nähe der Menschen einquartiert. Der daraus entstehende enge Kontakt mit den Tieren zeitigte jedoch neuartige Probleme. Bis dahin unbekannte Krankheiten sprangen von den Tieren auf die Menschen über und verbreiteten sich schnell.

Tiere wurden anfangs vor allem als Fleischlieferanten gehalten. Natürlich fanden auch andere tierische Produkte, wie Eier und Milch oder Häute, Federn und vieles anderes, Verwendung. Bald erkannte man, dass sich einige der Tiere auch für andere Zwecke, wie der Arbeit auf dem Feld, einsetzen ließen. Wollte man sie als Arbeitstiere nutzen, durften sie jedoch nicht geschlachtet werden. Darüber hinaus mussten von allen Tieren einige für die Nachzucht bleiben. Da die Zahl der Tiere, die in den Dörfern genährt und beschützt werden konnten, begrenzt war, kann man sich vorstellen, dass ein Braten eher selten, das heißt nur zu besonderen Anlässen, auf den Tisch kam. Das tägliche Einerlei wurde vor allem mit Pflanzenkost bestritten. Diese Kost war auf die Dauer recht einseitig, das heißt von partiellem Mangel geprägt. Sie führte zu einer in der Tendenz schwächer werdenden Konstitution der Menschen.

Zu den positiven Effekten des Sesshaftwerdens zählt, dass damit bessere Bedingungen für die Herstellung von Werkzeugen und anderen Gerätschaften entstanden. Viele dieser Dinge machten das Leben angenehmer oder wenigstens etwas leichter. Da man sie nicht mehr mit sich herumschleppen musste, konnte der Haushalt auch ruhig größer werden. Ein gut ausgestatteter Haushalt war sogar bald Zeichen von Wohlstand. Natürlich konnte jeder versuchen, die benötigten Werkzeuge und Gerätschaften selbst herzustellen, das Ergebnis wäre aber wahrscheinlich wenig befriedigend gewesen. Außerdem gab es einige, die besondere Fähigkeiten und Erfahrungen auf diesem Gebiet besaßen. Die von ihnen gefertigten Dinge waren handlicher, zweckmäßiger, vielleicht auch schöner, jedenfalls besser als die der anderen. Sie wurden von allen begehrt. Die talentierten Handwerker waren bald ausschließlich damit beschäftigt, den entstehenden Wünschen nachzukommen.

Aber auch Handwerker und deren Familien brauchen Nahrung. Sie mussten also für die  Produkte ihrer Arbeit eine Gegenleistung in Form von Nahrungsmitteln erhalten. Nur, wie war diese Gegenleistung zu bemessen? Aus der Sicht des Handwerkers sollte für die Erzeugung der Gegenleistung mindestens der gleiche Aufwand an Arbeit notwendig gewesen sein, den er für die Herstellung seines Produkts aufgebracht hatte. Der Erwerber hatte seinerseits zu entscheiden, inwieweit der Nutzen des Produkts seinen Aufwand für die Erzeugung der geforderten Gegenleistung rechtfertigte. Hatte man schließlich die unterschiedlichen Interessen auf einen Nenner gebracht und die Produkte getauscht, dann hatten beide einen Teil ihrer Arbeit veräußert und sich gleichzeitig fremde Arbeit zu eigen gemacht. Das Produkt, in dem die fremde Arbeit geronnen war, wurde Eigentum des Erwerbers, über das nur er verfügen durfte. Da prinzipiell jedes Produkt dazu taugte, in Produkte fremder Arbeit getauscht zu werden, waren auch die eigenen Produkte als Eigentum anzusehen, von dem andere ausgeschlossen blieben. Die Entstehung von privatem Eigentum ist also eng mit dem Sesshaftwerden der Menschen verbunden. Daneben gab es natürlich auch weiterhin Dinge, die von allen genutzt werden konnten. Im Unterschied zum entstehenden Privateigentum blieben sie in der Verfügungsgewalt der Gemeinschaft, die die Regeln für ihre Verwendung festlegte.

Nachdem der Handwerker das Dorf mit seinen Erzeugnissen versorgt hatte, brauchte er, wollte er nicht wieder als Bauer tätig sein, neue Einnahmequellen. Er mag überlegt haben, welche Dinge er noch fertigen könnte, die für die anderen von Interesse wären. Vielleicht war ja bereits der ein oder andere Wunsch an ihn herangetragen worden. Eine weitere Möglichkeit, Einnahmen zu generieren, bestand darin, die Erzeugnisse anderen Sippen anzutragen. Nützliche Dinge fanden auf diese Weise Verbreitung über Sippen- und Stammesgrenzen hinweg. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte wurde dieser Austausch immer umfänglicher. Bald wurden nicht mehr nur Nahrungsmittel als Gegenleistung akzeptiert, auch Erzeugnisse fremder Handwerkskunst oder seltene Naturprodukte waren begehrt. Nach und nach schälten sich einige Dinge heraus, die von allen als Gegenleistung akzeptiert wurden, weil sie jederzeit gegen andere Güter eingetauscht werden konnten. Diese Dinge wurden zu Mittlern des Tausches, zu Zahlungsmitteln. Die Herausbildung solcher Zahlungsmittel änderte nichts am Grundprinzip des Wirtschaftens, denn nach wie vor stand der Erhalt von Nahrung im Mittelpunkt des wirtschaftlichen Strebens.

Grundlage dafür, dass sich einige Menschen ausschließlich der handwerklichen Arbeit widmen konnten, waren Ertragssteigerungen in Ackerbau und Viehzucht. Sie ermöglichten nicht nur die Freistellung einzelner für besondere Aufgaben sondern auch ein Wachstum der gesamten Population. Damit wurden auch die Siedlungen größer, was wiederum mit einem höheren Bedarf an unterschiedlichen Produkten verbunden war. Die daraus resultierende Nachfrage beförderte ihrerseits die Entwicklung des Handwerks und trug zur Belebung des Handels bei. Händler legten mit Trägern oder mit Booten immer weitere Entfernungen zurück, um ihre Waren feilzubieten und Produkte ferner Länder herbeizuschaffen. Sie brachten auch Ideen und neue Werkstoffe, wie das Kupfer, mit, das bald überall heiß begehrt war. Schritt für Schritt verbreiterte sich der Strom der Güter. Nun wurden auch Lasttiere, wie Kamele, Esel und Pferde, eingesetzt, um die wachsenden Warenmengen zu bewegen. Dann hatte jemand die Erleuchtung, dass sich runde Scheiben nicht nur zum Töpfern eignen, sondern dass man sie als Räder unter einer Kiste befestigen kann, so dass ein Karren entsteht, mit dem sich Lasten leichter transportieren ließen.

Während das Rad schrittweise, im Kontext der allgemeinen Entwicklung, sein großes wirtschaftliches Potenzial zur Geltung brachte, führte eine andere Entdeckung beinahe unmittelbar zu gesellschaftlichen Veränderungen. Verschmolz man Kupfer und Zinn in einem bestimmten Verhältnis, dann entstand ein Werkstoff, der sich gut verarbeiten ließ und trotzdem enorm strapazierfähig war. Dieser Werkstoff, die Bronze, fand vor 5.000 Jahren eine geradezu rasante Verbreitung. Aus Bronze ließen sich neue und vor allem bessere Werkzeuge und Waffen herstellen. Mit solchen Werkzeugen wurde es beispielsweise möglich, mächtigere Bäume zu fällen, aus denen sich größere Schiffe bauen ließen, die auch den Gefahren der Meere widerstanden. Viele bis dahin ungekannte Gewerke und Berufe entwickelten sich. Im Zuge der nun einsetzenden wirtschaftlichen Belebung wuchsen einige Siedlungen zu Städten heran, die ihren Wohlstand häufig dem Fernhandel verdankten. Die Bronze wurde, da sie ein begehrter Werkstoff war, zu einem allseits akzeptierten Zahlungsmittel. Aber auch Kupfer, Bernstein und einiges anderes erhielt eine vergleichbare Wertschätzung.

Große Gemeinwesen, wie die Städte, stellen hohe Anforderungen an die Organisation des Zusammenlebens. In viel umfänglicherem Maße als bisher waren Normen erforderlich, die die komplexer gewordenen Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft regelten. Es reichte jedoch nicht, solche Normen zu verkünden, sie mussten auch durchgesetzt werden. Das heißt, neue Aufgaben waren zu bewältigen, für deren Realisierung Menschen gebraucht wurden, die über die erforderlichen Kenntnisse verfügten. Die entstehenden Verwaltungen mussten also angeleitet und beaufsichtigt werden. Diese Verantwortung wurde einem Rat aus angesehenen Mitgliedern der Gemeinschaft übertragen. Zu den Aufgaben des Rates gehörten auch die Anpassung der Regeln an veränderte Bedingungen, die Schlichtung von Streitigkeiten sowie die Weiterentwicklung des Gemeinwesens. Diese Befugnisse eröffneten jedoch die Möglichkeit, aus ihnen persönlichen Vorteil zu ziehen, so dass bald ein Streben nach immer mehr Kompetenzen einsetzte, das zur Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen weniger führte. Die Balance zwischen Gleichberechtigung und Solidarität auf der einen Seite und Führerschaft auf der anderen, die die Gemeinschaften der Jäger und Sammler geprägt hatte, ging auf diese Weise verloren. An ihre Stelle trat ein System abgestufter Rechte und Pflichten, das mehr und mehr von sozialen Unterschieden und der Distanz der gesellschaftlichen Gruppen zueinander geprägt war. Hinzu kam, dass die entstandenen Verwaltungen immer größer und mächtiger wurden. In den Augen der Menschen wurden sie zu etwas Übergeordnetem, ihnen Fremdes. Staaten waren entstanden.

Zu den Aufgaben des Staates gehört der Schutz der Gemeinschaft vor äußeren Feinden. Gerade der wachsende Wohlstand der Städte rief Neider auf den Plan, die auch Gewalt nicht scheuten, um ein Stück vom Kuchen zu ergattern. Wollte man sich vor Überfällen schützen, reichte es nicht aus, Mauern zu bauen und Waffen zu beschaffen, man musste die Handhabung der Waffen auch unablässig trainieren. Das ging nicht nebenbei, neben den täglichen Verrichtungen als Bauer, Handwerker oder Händler. Krieger zu sein, wurde zu einem eigenständigen Beruf. Gut ausgebildete Soldaten brauchte man aber nicht nur für den Schutz der Städte, auch die Handelswege waren mit bewaffneten Stützpunkten zu sichern, gerade weil sich der Reichtum zu großen Teilen aus dem Fernhandel speiste. Außerdem musste für einen permanenten Zufluss an Rohstoffen und Nahrungsmitteln aus den untergebenen Territorien gesorgt werden. Gut ausgerüstete und trainierte Armeen ließen sich darüber hinaus für eigene Erorberungen, die Reichtum und Ansehen versprachen, einsetzen. Eine besonders wichtige Kriegsbeute jener Zeit waren Menschen anderer Völker. Sie wurden gebraucht, um Bauten zum Ruhm der Herrschenden oder auch nur für deren Wohlleben zu errichten. Außerdem brauchten die Herren Diener, die die immer aufwendiger werdenden Haushalte am Laufen hielten. Die eigene Bevölkerung war meist nicht in der Lage, diese zusätzlichen Aufgaben zu bewältigen, hatte sie doch die wirtschaftlichen Grundlagen der Gemeinschaft, die Erzeugung beziehungsweise Beschaffung von Nahrungsmitteln, von Waffen, Werkzeugen und Gerätschaften, von Kleidung, Schmuck und was sonst noch benötigt wurde, zu sichern. Nur mit Hilfe von Sklaven konnte wahrer Luxus entstehen.

Der Zusammenhalt der Gemeinschaften war ursprünglich durch die gemeinsame Sprache, durch überkommene Traditionen, Regeln und Rituale, aber auch durch einen gemeinsamen Glauben begründet worden. Der Glaube spielte sogar eine wachsende Rolle, nicht zuletzt weil die sozialen Strukturen dem einzelnen in zunehmendem Maße mysteriös erschienen. Wieso gab es einige, die nicht tagein tagaus schufteten und doch in Luxus lebten und andere, die trotz größter Anstrengungen kaum genug hatten, ihre Kinder zu nähren? Irgendjemand musste das doch festgelegt haben. Die Religionen lieferten Erklärungen, wobei sie die Verhältnisse, die das soziale Gefälle in der Gesellschaft bewirkten, als von Gott und den Göttern gegeben, proklamierten. Die aus ihnen hervorgegangenen Privilegien hatten deshalb als unantastbar zu gelten. Der Glaube wurde auf diese Weise zu einer staatstragenden Institution, deren Vertretern Respekt zu zollen war. Teile des Klerus waren häufig auch direkt an der Verwaltung der Gemeinwesen beteiligt. Außerdem oblag es den Priestern, das vorhandene Wissen über die Natur, die Gesellschaft und die Menschen zu bewahren und darüber zu wachen, dass die herrschenden Lehren die einzig gültigen blieben.

Das in der Gesellschaft gesammelte Wissen wurde mündlich weitergetragen. Mit der Zeit war dieses Wissen jedoch immer umfänglicher geworden, so dass es kaum mehr durch einzelne Personen erhalten werden konnte. Ähnliches galt für die Vielzahl der geltenden Normen und Regeln, deren Einhaltung von den Verwaltungen überwacht werden sollte. Hinzu kam, dass mit den wirtschaftlichen Verflechtungen das Bedürfnis wuchs, die gegenseitigen Verpflichtungen nachweisbar festzuhalten, um Streitigkeiten zu vermeiden. Man musste also etwas finden, womit sich Verpflichtungen, Regeln und Wissen dauerhaft dokumentieren ließen. Symbole, die Mengenangaben und Wörter bezeichneten, wurden ersonnen. Man brachte sie auf Steinen, auf Holzbrettern, Ton- und Wachstafeln, auf Papyros oder anderem Material auf und konnte so jederzeit auf die mit ihnen festgehaltenen Inhalte zugreifen. Damit war die Sicherung und Verbreitung von Fakten und Erkenntnissen nicht mehr an einzelne Wissensträger gebunden; sie konnten nun jederzeit und unabhängig von Personen einem größeren Kreis von Menschen zugänglich gemacht werden. Damit wurde es möglich, auch größere Gemeinwesen zu managen. Sie wurden mitunter zur Keimzelle einer Hochkultur. Eine dieser frühen Hochkulturen, das Reich der Pharaonen, überdauerte Jahrtausende.

Nach der Bronze war es vor allem das Eisen, das zu gesellschaftlichen Veränderungen beitrug. Allerdings verbreitete es sich nicht im Sturmlauf, wie die Bronze, sondern über einen langen Zeitraum, denn seine Verarbeitung, insbesondere seine Veredlung, erwies sich als schwierig. Der entscheidende Vorteil des Eisens bestand darin, dass es fast überall verfügbar war. Es war dadurch kostengünstiger und konnte einen breit gefächerten Einsatz im täglichen Leben finden. In veredelter Form zeigte es darüber hinaus Eigenschaften, die denen der Bronze überlegen waren. Aus Stahl ließen sich deutlich bessere Waffen herstellen, die die Kampfkraft der Krieger erhöhten. Da man darüber hinaus gelernt hatte, Pferde so zu trainieren, dass sie einen Reiter trugen und diesem gehorchten, wurden ganz neue Varianten der Kriegsführung möglich. Die Reichweite der Raubzüge erreichte ungeahnte Dimensionen, riesige Gebiete konnten erobert werden. Den so entstehenden Reichen war allerdings meist keine langes Dasein beschieden, denn es erwies sich als unmöglich, die riesigen Territorien dauerhaft zu beherrschen respektive zu verwalten. Als Ausnahmen können das chinesische und das römische Reich gelten, die, basierend auf einer starken Zentralmacht, einer schlagkräftigen Verwaltung und einer ausgeklügelten Infrastruktur lange Zeit überdauerten. Trotz mancher Brüche und Rückschläge beeinflussten beide den Lauf der Geschichte bis in die Neuzeit hinein.

Rom war als kleines städtisches Gemeinwesen gestartet. Es vergrößerte Schritt für Schritt seine Einflusssphäre. In diesem Prozess wurden die ursprünglichen egalitären Elemente zugunsten hierarchsicher Strukturen zurückgedrängt. Gleichzeitig entwickelte sich eine effiziente Verwaltung, die nicht nur die Metropole sondern auch die eroberten Gebiete umfasste. Die schnell wachsende Stadt brauchte Wasser und Nahrungsmittel wie auch viele andere Dinge, die aus der Umgebung oder aus den unterworfenen Provinzen herangeschafft werden mussten. Zu diesem Zweck wurde eine fortgeschrittene Infrastruktur aus Wasserleitungen, Straßen, Schiffahrtswegen und Kurierdiensten geschaffen. Das Ganze ruhte auf den Schultern einer bestens ausgebildeten und bewaffneten Berufsarmee, die sehr bald nicht mehr nur aus den Bürgern Roms gespeist wurde. Die Armee hatte auch den ständigen Zufluss an Menschen, an Sklaven zu sichern, denn die Mächtigen wollten prächtige Bauten errichten, dem Volk Spiele geben und sich selbst nach allen Regeln der Kunst verwöhnen lassen. Natürlich waren andere Völker nicht ohne weiteres bereit, ihre Ressourcen dem Moloch Rom in den Rachen zu werfen, so dass die Streitkräfte selbst in den seltenen Friedenszeiten nicht beschäftigungslos blieben.

Das römische Reich wurde nicht nur durch innere Konflikte verunsichert, auch von außen drohte immer wieder Ungemach. In ihrem Streben nach Verbesserung des eigenen Lebens bedrängten fremde Völker die Grenzen. Man errichtete Zäune, Wälle und Mauern, die diese Grenzen schützen sollten, sie konnten die Sicherheit jedoch nicht auf Dauer garantieren. Das riesige Reich würde nur bestehen, wenn der innere Zusammenhalt stark blieb. Dazu mussten die verschiedenen Völker, die durch unterschiedliche kulturelle und religiöse Traditionen geprägt waren, in die Gesellschaft und dessen Verwaltung eingebunden werden. Die Integration beschränkte sich jedoch meist auf die Eliten, denen Aufstiegschancen in Armee und Verwaltung eröffnet wurden. Dies konnte nicht verhindern, dass das ursprüngliche Bande, das durch eine einheitliche Sprache, Religion und Kultur entstanden war, an Kraft verlor. Die große Ausdehnung des Reiches wurde vom Segen zum Fluch. Irgendwann konnte das im Inneren erodierende Rom dem fortgesetzten Ansturm der Völker nicht mehr standhalten. Es wurde überrannt. Der Untergang des weströmischen Reichs geriet zur Zäsur, die eine Epoche kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung beendete und Mitteleuropa zu einem Neustart in die Geschichte zwang.

zuletzt bearbeitet: 02.10.2019

Quelle

1)  GEO kompakt Nr. 37, Die Geburt der Zivilisation

 

 

Bild: bibelwissenschaft.de