Heute scheint die Sonne. Es ist hell, das Licht lässt die Farben erstrahlen und es wärmt meine Haut. Vögel singen. In der Luft ist ein Hauch von Lindenblüten. Man meint, Honig zu schmecken. Dazu tönt aus dem Radio leise Musik. Kann ein Morgen schöner sein? Nun noch einen Kaffee und ein frisches Brötchen und der Morgen wäre perfekt. Aber was von alldem ist real? Das Brötchen und der Kaffee, die Vögel und das Radio auch. Natürlich auch die Sonne, die Lindenblüten und die Luft. Hingegen, dass dieser Morgen hell ist, die Farben erstrahlen und die Haut von der Sonne gewärmt wird, das ist Fiktion. Es ist die Übersetzung unseres Gehirns für die Tatsache, dass uns gerade energiereiche Sonnenstrahlung erreicht. Die Strahlung selbst ist weder hell noch dunkel oder gar farbig und warm. Auch Schwingungen der Luft sind noch lange keine Töne. Sie sind lediglich Ausdruck für die Ausbreitung von Energie. Damit aus den Luftwellen, die unser kleiner Vogel erzeugt, Töne werden, braucht es ein Sinnesorgan, das die Luftschwingungen registriert, elektrische Impulse erzeugt und an das Gehirn weiterleitet. Das Gehirn, der große Kapellmeister, lässt daraus Musik oder eben Vogelgezwitscher entstehen. Ähnliches gilt für den Geruch der Lindenpollen. Dass sie scheinbar riechen oder gar schmecken, ist eine Hilfe, eine Krücke, die uns das Gehirn an die Hand gibt, damit wir uns in unserer Umwelt zurechtfinden und nicht elend verhungern.
Alles, was schön ist, aber auch alles, was uns ärgert oder gar wehtut, hat seinen Ursprung im Gehirn, diesem kleinen Tyrannen. Es dient dazu, dass dieser große Körper Mensch, den das Gehirn nunmal zum eigenen Überleben braucht, auch das tut, was ihm, dem Gehirn, am besten bekommt. Gott-sei-Dank, ist dieses Beste für das Gehirn auch meist das Beste für den Körper. Dies gilt allerdings nicht zwangsläufig, wie man aus der Kulturgeschichte des Alkohols oder anderer Drogen ablesen kann. Das Gehirn mag den Rausch, auch wenn die Leber Schaden nimmt.
Wenn also alles, was das Leben schön und aufregend, ja lohnend macht, über das Gehirn vermittelt wird, was ist dann da draußen, außerhalb unseres Kopfes? Was ist wirklich in unserer Welt? Dazu sollten wir uns noch einmal anschauen, was die Sinnesorgane registrieren, bevor die Informationen in Wahrnehmungen umgewandelt werden. Das Sehen von Licht und Farben, wie auch die wohltuende Wärme der Sonne basiert auf der Registrierung ihrer energetischen Strahlung, die wiederum durch die Bewegung der Photonen bestimmt ist. Die Reaktion der Haut auf die Temperatur der Luft basiert im Kern auf der Abgabe beziehungswise Aufnahme von Energie. Das Hören beruht auf der Wahrnehmung von Schwingungen der Luft, die ihrerseits Ausdruck von deren Energiegehalt sind. Im Gegensatz dazu basieren das Schmecken und das Riechen auf dem Erkennen von materiellen Strukturen, denn die Moleküle, die sich an diese Sinneszellen anlagern, haben einen für den jeweiligen Stoff charakteristischen Aufbau. Man kann die Sinneszellen der Nase und des Mundes vielleicht mit Schlössern vergleichen, in die jeweils nur ein bestimmter Schlüssel oder eine Gruppe von Schlüsseln respektive Molekülstrukturen passt. Wenn ein bestimmtes Schloss einen Eindringling meldet, dann ist klar, welcher Stoff der Übeltäter oder auch Wohltäter gewesen sein muss.
Kehren wir noch einmal kurz zum Sehen zurück. Man sieht nicht nur hell und dunkel sowie Farben, sondern auch Linien, Formen und räumliche Strukturen, ebenso wie Bewegungen in ihnen. Die sind tatsächlich vorhanden. Mag sein, dass auch beim Erkennen von Linien, Formen und Strukturen das Gehirn hilfreich zur Seite steht, zum Beispiel, indem Konturen verstärkt oder Formen durch den Abgleich mit Erfahrungen identifiziert werden. Trotzdem bleibt, dass Linien, Formen und Strukturen sowie Bewegungen darin tatsächlich in der Umwelt vorhanden sind, sonst würden wir uns auch nicht in ihr zurechtfinden. Dann kennen wir noch das Druckempfinden der Haut, das eine Reaktion auf Kräfte darstellt, die auf diese wirken. Der Gleichgewichtssinn und das Registrieren von oben und unter, hängen wiederum mit der Schwerkraft der Erde zusammen.
Wenn wir das, was unsere Sinnesorgane, registrieren, zusammenfassen, dann sind das
- die Strahlung der Sonne, deren Wirkung aus der Bewegung der Photonen resultiert
- der Energiegehalt der Luft, der sich in der Bewegungsintensität ihrer Bestandteile ausdrückt
- mikroskopisch kleine Strukturen in Form von Atomen und Molekülen
- Räume, die durch Linien, Formen, Abstände und andere Strukturelemente bestimmt werden
- Bewegungen in diesen Räumen sowie
- Kräfte, die auf uns und alles, was uns umgibt, wirken.
Das „da draußen“ besteht also summa summarum aus
Strukturen, Bewegungen und Kräften.
Es sei wieder auf den zweiten Teil verwiesen, wo das Verhältnis von objektiver Realität und subjektiver Wahrnehmung noch einmal näher beleuchtet wird.
Bild: Der Denker aus geo.de
zuletzt geändert: 25.05.2019